Ein guter Dirigent, der die Gedanken des Komponisten wiedergibt, tut zwanzig Dinge auf einmal: er liest die Partitur, schlägt den Takt, folgt dem Sänger, macht bald der Trommel, bald dem Piston ein Zeichen und so weiter. Genau so ist's bei mir, wenn ich vortrage. Vor mir sind anderthalb hundert Gesichter, von denen keins dem anderen gleicht, und dreihundert Augen, die mir alle gerade ins Gesicht sehen. Mein Ziel ist, diese vielköpfige Hydra zu besiegen. Wenn ich in jeder Minute, während ich spreche, eine klare Vorstellung von dem Grad ihrer Aufmerksamkeit und der Stärke ihres Verständnisses habe, dann ist sie in meiner Gewalt. Mein anderer Gegner sitzt in mir selbst. […] Jeden Augenblick muß ich mir Zügel anlegen und mich erinnern, daß ich nur eine Stunde und vierzig Minuten zu meiner Verfügung habe. Mit einem Wort, Arbeit gibt's da genug.
(aus: Anton Tschechow: Schatten des Todes)