Am 20. Mai 2025 ist mein neuer Roman erschienen:
Und was das Blau der Kreise betrifft, so spielt es nicht nur in etlichen literarischen Werken der Autorin eine mal größere, nie aber ganz kleine Rolle, sondern ist auch von vielfältiger Symbolik. So ist es zwar nicht die Farbe der Hoffnung, aber – unter anderem – die der Ferne und der Sehnsucht. Sie ist die Farbe des Himmels und des Meeres, der Wahrheit, aber auch des Irrealen/Göttlichen und nicht zuletzt die der Treue. Dabei gilt sie als rein, immateriell und kühl. Im Roman selbst heißt es einmal, „das Blaue“ sei „nicht nur böse und gefährlich“, sondern „auch magisch und stark, vor allem aber ist es schön“ (308) Rolf Löchel auf FemBio (11. Juli 2025) |
Um was geht es? Der Roman erzählt die Geschichte eines rebellischen Rückzugs. Die namen- und beziehungslose Protagonistin hat lange Jahre als UNESCO-Mitarbeiterin in Genf gearbeitet, doch ihr Job, die Kollegen, die ganze Stadt widern sie nur noch an. Ihr Rückzug vollzieht sich in zwei Etappen: Zunächst findet sie Unterschlupf im blauen Haus der Künstlerin Thérèse, muss die Schweiz wegen eines Verbrechens aber bald verlassen. Schliesslich zieht sie sich in ein heruntergekommenes Gehöft im französischen Zentralmassiv zu dem verschrobenen Imker Jean-Luc und seinem Sohn Felix zurück. JeanLuc züchtet sehr spezielle Bienen, während Felix mit Drogen und apparatloser Fotografie experimentiert. Der Roman ist in 20 Erzählkapitel und 20 dazwischengeschaltete »blaue Kreise«, poetisch verspielte Intermezzi über vergangene oder imaginäre Glücksmomente, unterteilt. Sabine Haupt vernetzt leitmotivisch die Farbe Blau mit zentralen Themen des Romans wie: fotografische und sexuelle Reproduktion, die Beziehung zwischen Frau und Mann, Landschaft und Natur, das Leben der Bienen, politische und soziale Zustände in der französischen Provinz und in der Schweiz, Flucht und Isolation.
TEXTAUSZUG: Wenn sie nachts wach lag und in die Stille hineinhorchte, die, wie sie bald schon bemerkte, gar keine Stille war, sondern etwas ganz anderes, Sprachloses, aber Verwandtes, dann kam es ihr vor, als säßen die Geister der Tiere in allen Ecken des Hauses, Türangeln miauten, Schlösser grunzten, Treppenstufen stöhnten auf, ohne dass jemand auf sie getreten wäre, die Kellertür muhte verschlafen, sobald der Wind hereinbrach und von unten durchs Haus blies. Gelangte er dann bis ganz nach oben, bis unters Dach, steigerte sich sein Seufzen zu kultischen Gesängen, ohohohohohoho, und ahahahahaha, manchmal auch nur uiiii oder huhu, drei Töne aufwärts, drei abwärts und wieder drei aufwärts, er sang, dass sich die Balken bogen. Gerne rumorte er unterwegs noch ein bisschen in den verstopften Kaminen der oberen Stockwerke, spielte mit losen Gardinenstangen oder den Klopapierrollen im Badezimmer, die sich mit leichtem Ächzen in Bewegung setzten, sich auf- und wieder zusammenrollten, oder, wenn die Tür zur Stube mit dem alten Kachelofen offenstand, dann gurrte es hinter den Lüftungseisen, die langsam auf- und wieder zuschnappten, sickerte, sobald er sich bis zum Schlafzimmer durchgearbeitet hatte, mit feinen Nadeln durch den Stoff ihrer Bettdecke und strich gierig über ihre Haut. Das waren die guten Nächte. In den bösen gab es weder Spiel noch Gesang, dann heulten und keuchten verschiedene Winde aus verschiedenen Richtungen, zerrten am löchrigen Dach, rüttelten an den losen Fensterläden, klopften an die Türen, klatschten mit dicken, nassen Lappen an die Scheiben, bis es heftig klirrte.
|