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Wie kommt der Kerl in meine Story? Warum Unzuverlässigkeit nichts mit Autonomie zu tun hat.

Veröffentlicht am 07.09.2020

Manchmal werde ich von mehr oder weniger nahestehenden Menschen gefragt: Wie kommst Du bloß auf Deine Ideen? Gute Frage! wie man so schön sagt, wenn die Antwort etwas länger braucht. Ja, gute alte, uralte Frage. Woher kommen die Ideen?

Wie ent-steht das, was dann da-steht? Heideggerschüler (ich kenne keine -innen) würden sich von diesem Vorsilbenrätsel wahrscheinlich an-, pardon: präfixen lassen. Ich bin gegen Sprachmagie immun, und etymologische Anekdoten und Gleichnisse sind mir zu be-dingt. Obwohl sie natürlich immer eine prima Antwortmöglichkeit darstellen. Indem man zum Beispiel den FragerInnen erzählt, dass die Figur des Blaubart, des Oger oder Silberwolf nicht auf einen realen Menschen zurückgeht, sondern sich in Wirklichkeit aus mehreren, ganz verschiedenen Erlebnissen mit realen oder gelesenen oder erfundenen Personen zusammensetzt, dass man vielleicht mal beobachtet hat, wie einer dies oder jenes tat, und man dann dieses Tun ein bisschen weitergedacht und weitergesponnen hat, oder dass man nachts plötzlich mit diesem einen ganz besonderen Satz im Kopf aufgewacht sei, z.B.: „Nachts um drei frisst der Oger nicht mehr“, ein Satz, aus dem sich sodann, schwupps! als wär’s ein sauber gewickeltes Wollknäuel, alle anderen Sätze nach und nach herausziehen lassen oder – neuer Versuch – sich ergeben wie mit dem Lasso umzingelte Diebe, bis der Text dingfest gemacht ist. So oder so ähnlich; wobei es mit der künstlerischen Notwendigkeit bereits hapert, wenn nur das Telefon klingelt oder ein Besuch im Badezimmer dazwischen kommt. Denn danach entwickelt sich das Knäuel in ganz andere Richtungen, und die umzingelten Ideen gehören zu einer anderen Gang.

 

Wenn AutorInnen zu Poetikvorlesungen eingeladen werden, weil die Leserschaft (auch die professionelle!) endlich wissen will, wie Frau X und Herr Y auf ihre Ideen kommen, dann beginnen sie gerne mit solchen Anekdoten. Man muss das Publikum heute ja nicht nur fesseln, sondern vor allem erst einmal irgendwo „abholen“, damit es sich nicht verläuft, und das geht mit Anekdoten offenbar am besten, denn, na klar: jedeR hat in seinem Leben schon mal etwas erlebt, Personen getroffen oder gelesen, etwas geträumt, ein Wollknäuel aufgewickelt, Räuber und Gendarm gespielt usw. Doch das alles ergibt noch keine befriedigende Antwort, das Anekdotisch-Parabolische verlagert das Problem nur in die graue Vorzeit des Texts und spekuliert klammheimlich auf den Nebel im universalen Ge- und Ver-wirr (ich übe noch mit dem Hei-deggern...) bzw. im Hirn des Fragers.

 

Doch die Frage nach dem Ursprung des Texts ist kein Einzelfall. Bei vielen Fragen zur, hinter, über, um und um Literatur herum ist es genauso: Alles blinde Flecken der Philologie, alles Fragen, mit denen sich die Literaturwissenschaft – meist aus guten Gründen – nicht oder nur mit spitzen Fingern und ganz am Rande beschäftig. Denn viele dieser blinden Flecken sind in Wahrheit gefräßige, schwarze Löcher, ungeheuer anziehend, großartig, mysteriös, grandiose Wissenslücken, in denen man irgendwann verschwindet, nachdem man in ihnen, wie in schwärenden Wunden, manisch-masochistisch herumgestochert und so allerhand metaphorisches Gekröse zutage gefördert hat: meist Erklärungen aus der bunten Vorzeit der Hermeneutik, Zeiten, da diese selbst noch ein Märchen und keine steifbeinige oder schmallippige Wissenschaft war.

 

Wir alle kennen sie, die munteren Ideentierchen, die uns hemmungslos und ohne falsche Scham mit ihrem meist schleierhaften Brodem infizieren. Es ist ein ganzer Zoo: Der gemeine Musenkuss (Glasvitrine gleich am Eingang) hängt faultiermäßig an einem toten Ast, argwöhnisch beäugt vom göttlichen Funken der Inspiration (ganz oben, eingeklemmt in eine winzigen Voliere unter schadhaften Dachziegeln), weiter geht’s zum Furor divinus (im Elefantenhaus) und zur genialischen Eingebung (ist mal wieder aus dem Tigerkäfig ausgerissen). Die ästhetischen Früchte von Melancholie und Neurasthenie gedeihen unverblümt am Wegesrand, obwohl sie unter Naturschutz stehen, während die fixe, manchmal bizarre bis wahnwitzige, oft nur saudumme Idee mit Blähungen auf der Zootoilette hockt und die Kanalisation verstopft – alles mehr oder weniger einleuchtende Namen, Bilder, Konzepte und Figurationen für das eine große, bis heute ungelöste Rätsel der Literatur: Woher kommen die Ideen? Was war vor ihnen? Warum gibt es überhaupt Texte?   

 

Wenn man diese Fragerei ganz hoch, also in den allerobersten Etagen der Fragekunst aufhängen will, ist es ratsam, sie so zu formulieren, dass sie anderen ultimativen Fragen nach dem Sinn des Lebens, dem Universums und dem ganzen verzwickten Rest das Wasser reichen können. Naheliegend wäre also die Parallele zur Frage nach dem Urknall des Seins, die zahlreiche Philosophen vor und nach Leibniz in vielen Sprachen und vielen Varianten folgendermaßen auf den ontologischen Punkt brachten: „Pourquoi il y a plutôt quelque chose que rien?“ oder: „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ oder: „Why is there anything at all rather than nothing sowhatever?“ Denn – und das wäre die kindlich universelle Logik, die hinter dieser Fragerei steckt – von nichts kommt nichts, eine Creatio ex nihilo kann es nicht geben. Das Ursache-Wirkungsprinzip gilt auch für die Schöpfung, auch eine prima causa (gerade die!) muss irgendwie dingfest gemacht werden, und sei’s durch die logisch eher unbefriedigende Hypothese eines sich selbst erschaffenden Deus creator. Das Wunder des Texts wäre somit gewissermaßen eine Abart oder Subspezies des Wunders der Schöpfung.

 

Halten wir also fest: Von nichts kommt nichts. Der Text ist aber nun mal da, mitsamt Handlung, Figuren und vielen, vielen einzelnen Wörtern und Sätzen. Was die Sache jetzt noch vertrackter macht, ist der Umstand, dass selbst wenn man den Grund für den Text in der woher auch immer kommenden Inspiration der/des AutorIn ansiedeln würde, wenn dieseR also zuverlässig und nachprüfbar, konkret und en detail Zeugnis ablegen würde, aus welchen Quellen ihre oder seine Einfälle hervorgegangen sind, wäre noch immer nicht der Prozess der Verwandlung geklärt. Wie wird aus einem Traum ein Text? Aus Erinnerungen, Assoziationen, Problemen und Konflikten ein Roman?

 

Dass die Quelle, aus der der Text hervor sprießt, überhaupt im Autor bzw. in dessen wie auch immer möblierten Innenräumen zu suchen sei, ist allerdings eine naive, von einigen, nicht ganz unerheblichen modernen Literaturtheorien mit geradezu glühender Wollust bestrittene Hypothese. Wahrscheinlich haben die Skeptiker sogar Recht: Denn es ist gar nicht nötig, den Tod des Autors zu verkünden, um sich klar zu machen, dass Text und AutorIn meist nur entfernte Verwandte sind, oft reicht es schon, ein Interview mit eineR noch lebenden AutorIn zu lesen. Da erfährt man dann zwar so allerhand, das wirklich Interessante aber ist, mit welcher Strategie sich die/der Betreffende vor den Antworten drückt.

 

Es gibt aber nicht nur unzuverlässige AutorInnen, die ihr Publikum mit charmanten Flunkereien über die Entstehung ihrer Werke beschwindeln, es gibt zudem – die Literaturwissenschaft kann mehr als ein hohes Lied auf ihn singen – den unzuverlässigen Erzähler, der die Zusammenarbeit mit seinen Leserinnen und Lesern verweigert, einfach nicht  

kooperiert, stattdessen sprunghaft, subjektiv, inkohärent bis unverständlich erzählt, sodass philologisch oftmals nicht einmal zu entscheiden ist, ob es sich bei den fehlenden oder widersprüchlichen „Unbestimmtheitsstellen“ um bloße Schlamperei oder im Gegenteil um ganz bewusste Verrätselung, also um ein hochartistisches Versteckspiel mit Bedeutungen und Lesarten handelt.

 

Nun kennt die Literatur aber nicht nur die unzuverlässige Autorin und den unzuverlässigen Erzähler, immer wieder hat sie es auch mit höchst unzuverlässigen Geschichten zu tun. Im Grunde ist das sogar der schlimmste Fall von Unzuverlässigkeit in der Literatur. Allerdings weiß man darüber nur wenig, weil die LeserInnen davon gar nichts mitbekommen. Denn diese meinen ja, wenn sie den fertigen Text lesen oder hören, das der eben so ist wie er ist, weil er nun mal so sein muss. Dass er in Wirklichkeit ganz anders hätte sein können oder sollen, bleibt sein Geheimnis bzw. das seineR unzuverlässigen AutorIn.

 

Natürlich ist so ein Text, der macht, was er will, sich störrisch der Herrschaft seineR AutorIn entzieht, auch eine ziemlich windige Ausrede. Und das in doppelter Hinsicht: Zum einen muss, wenn der Text sich quasi selbst zu verantworten hat, niemand mehr für jedes Komma gerade stehen, zum anderen lässt sich mit der Metapher des unverfügbaren, autonomen Texts ganz wunderbar kokettieren. Sigmar Polke hat das 1969 auf die unvergessliche Formel gebracht: „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“ Leider haben viele andere, die ihre Autorschaft verneinen, weniger Humor und glauben tatsächlich, als transluzider Scriptor das sakrale Sprachrohr oder Medium höherer Mächte (und sei’s die Sprache in Person bzw. ihr jüngerer Bruder, der unendliche Text) zu sein. Das magische Erbe der Literatur hat einen sehr langen, sehr feuchten Atem.

 

Möglich wäre allerdings auch, dass der postromantische Traum von der Überantwortung ans Überpersönliche, vom Transfer der künstlerischen Kompetenz auf den Text oder auf die Sprache ein böses Erwachen hat, wenn nämlich am Ende der literaturgeschichtlichen Evolutionskette nicht das medial erleuchtete AutorInnenkollektiv, sondern der algorithmisch gesteuerte Textgenerator steht. – Doch das hier nur als kleiner Zwischenruf zur Auflockerung.

 

Leider haben, wie gesagt, die wenigsten Kunst- und Literaturtheoretiker den Humor und die Ironie von Sigmar Polke. Und so wundert es einen nicht, wenn sich die nicht- oder halbakademische Poetologie mit pathetischen Überhöhungen des Schreibakts und dem Leugnen der eigenen Urheberschaft geradezu überbietet. Je unzuverlässiger und unberechenbarer der Text, desto besser sein Autor. Das ist seit Mallarmé gewissermaßen die Faustregel bei der Beantwortung der Gretchenfrage (wie gesagt: ich übe...). Manchmal hat man fast den Eindruck, als suche die/der betreffende AutorIn, ihr/sein Werk durch solche Offenbarungseide zu nobilitieren, ganz nach dem Motto: „Nein, ich war’s nicht. Höhere Mächte befahlen mir, die Seiten zu schwärzen....“.

 

Erst kürzlich las ich wieder so einen typischen Poetik-Satz, der sich alle Mühe gibt, möglichst unwissenschaftlich zu raunen: Literatur behandle keine Themen, hieß es da, stattdessen „wälze“ sie „Stoffe“, sei „gestaltloses Wollen“. Mich macht vitalistisch-okkultistisches Gesülze immer leicht nervös. Man kennt das aus dem mittleren und späten 19. Jahrhundert: Geist und Natur, Kraft und Stoff, Subjekt und Objekt, Wille und Substanz, Trieb und Organ, später Materie und Energie (in dieser neuen Reihenfolge...), stets ging es darum, das eine mit dem anderen zu verrechnen, wobei die Wechselkurse vom Ideellen zum Körperlichen erheblich schwankten. Das Grundprinzip aber bleibt stets dasselbe: der Stoff, aus dem literarische Träume gewirkt, gewebt, montiert oder zusammen gebastelt werden, scheint irgendwie ungreifbar und erinnert mich an Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“.

 

Nun ist das Wort „Stoff“ ein höchst solider, fest in der klassischen Hermeneutik verankerter Begriff zur Bezeichnung des grundlegenden Plots bzw. der „Fabel“ oder des „Nexus“. In meinem uralten „Sachwörterbuch der Literatur“ heißt es, das Wort „Stoff“ bezeichne den „erzählbaren Inhalt“, der „oft auf eine außerhalb des Werks bestehende, mündliche oder literarisch überlieferte Quelle“ zurückgehe. Klassische literarische „Stoffe“ sind biblische, antike oder mittelalterliche Mythen und Legenden, Lebensgeschichten historischer Gestalten wie Maria Stuart oder Napoleon. Plots mit einer weitgehend festgelegten narrativen Struktur, die an gewissen Motiven, Personen, Orten, Handlungsverläufen unschwer zu erkennen sind. Verbanne ich Maria Stuart nach St. Helena oder führe Napoleon aufs Schafott, beschädige ich den Stoff.

 

Mit „gestaltlosem Wollen“ hat das erstmal nicht viel zu tun. Vermutlich meinen die Verfasser der Anthologie, aus der ich zitiere (weitere Vokabeln wie „Amalgam“, „Schaum“ oder „Brühe“ legen das nahe) so etwas wie „Ursuppe“: das naturhaft ursprüngliche, noch ungeformte „Chaos“. Literatur forme Ungeformtes, mache aus diffusem „Stoff“ konkrete Sprache. Darauf könnte man sich einigen. Wäre da nicht das Problem der Unzuverlässigkeit und Unverfügbarkeit. Denn der Stoff, so wabbelig und haltlos er auch sein mag, ist kein Teig, der sich in eine Kuchenform gießen lässt, damit aus dem Wollen eine Gestalt werde. Ohne Form gibt es ihn gar nicht.

 

Ich will diese Hochseildialektik von Form und Inhalt, Sinn und Form usw. jetzt nicht weiter durchziehen, weil es – Kleist war sich dessen, wie er in seinem berühmten Essay „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ darlegt, ganz sicher – „irgendeine dunkle Vorstellung, die mit dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht,“ ja wohl einfach geben muss. Das gilt auch für die Geschichte, für den Plotfabelnexus. Es gibt sie nicht, bevor man anfängt, sie zu erfinden. Es gibt keinen „Stoff“. Doch was es gibt, sind „dunkle Vorstellungen“.

 

Und das genau ist das Fatale beim Schreiben. Gäbe es einen Stoff, eine natürliche Ursuppe, aus der ich mir beim Schreiben nach mehr oder weniger vorgegebenen Rezepturen mein literarisches Süppchen zusammenrühren könnte, würde so etwas gar nicht passieren. Doch es passiert. Immer wieder: Da schreibe ich an einer hochanständigen Dystopie mit allerhand kritisch-humanistischem Potenzial, und plötzlich: Pardauz! steht so ein rechtes Arschloch mitten in meiner Geschichte, macht sich wichtig und verlangt nach fairer Gestaltung. Ich hatte ihn gar nicht kommen sehen. Dafür hängt er mir jetzt umso schwerer an der Backe. Die Psychoanalyse würde hier wahrscheinlich ihr bewährtes Konzept der „Wiederkehr  des Verdrängten“ ins Spiel bringen, andere würden sich vielleicht auf die Autonomie der Literatur herausreden, darauf, dass Literatur als eigenständiges, von politischen und sozialen Zwecken unabhängiges Gebilde zu verstehen sei, „Zweckmäßigkeit ohne Zweck“, reines „interesseloses Wohlgefallen“, wie Kant hier definieren würde, „l’art pour l’art“ wie Baudelaire & Co feierlich offenbarten oder „Rätsel und Utopie“, wie Adorno & Co postulierten.

 

Doch das bürgerliche Konzept der Autonomie des Kunstwerks bedeutet ja eigentlich nichts anderes als die Autonomie des bürgerlichen Künstlers, der sich in allmächtiger Verblendung wünscht oder einbildet, Mäzene und Märkte zum Teufel jagen zu können. Dann schon eher „Autopoiesis“: d.h. der Text ist nicht Abbild der Welt, sondern schafft – kraft rekursiver selbstbezüglicher Operationen, die einer ästhetischen Eigengesetzlichkeit folgen – sein eigenes Bild. Doch auch das erklärt nicht, wie der Kerl in meinen Text kommt. Denn es gibt, soweit ich weiß, keine ästhetische Eigengesetzlichkeit, derzufolge rechte Arschlöcher in Dystopien gehören und dann dort auch noch feinsäuberlich als „Charakter“ gezeichnet werden müssen, statt einfach kurzen Prozess zu machen und den Typen in den Orkus der Ursuppe zurückzubefördern, diesen dreimal verfluchten Hexenkessel, aus dem er ohne meine Wissen und ohne mein Zutun emporgestiegen ist.

 

Vielleicht sollte ich jetzt die allerunterste Schublade ziehen und quantenmechanisch argumentieren: Wenn sich für das Entspringen unvorhergesehener, vielleicht unvorhersehbarer Ideen keine Schöpferin und kein Demiurg, kein höherer oder tieferer Grund, weder in der Sprache noch im unendlichen Zwischenreich der Intertexte verantwortlich machen lassen, dann liegt das – so versuche ich mir einzureden – an den nichtbinären Möglichkeitsschlaufen, in die sich mein Text aus lauter Übermut ein- und verwickelt (naja...). Wie Schrödingers Katze in der Kiste, die auch nicht wusste, ob sie Welle oder Teilchen sein wollte. Fauchende und kratzende Dekohärenz, miauende Unschärfe. Rechte Arschlöcher in linken Texten.

 

Womöglich bietet auch hier die konsequente totalphänomenale Digitalisierung des Lebens in all seinen vitalen und letalen Erscheinungsweisen die geeignete Lösung: Statt Texte zu schreiben, sollte man sie – wie bereits angedeutet – fürderhin programmieren. Jawohl! Der Algorithmus für „gestaltlosen Wollens“ ist schnell gefunden, Unzuverlässigkeit, ob bei der Autorin, beim Erzähler oder im Text, gründlich und schonungslos ausgemerzt. Wir wissen: Algorithmen können das Verhalten von Menschen mit hoher Verlässlichkeit vorhersagen. Ganze Wirtschaftszweige, das Militär und die Finanzwirtschaft verlassen sich darauf. Dasselbe gilt für den Roman und seine Figuren. Kausalität statt Kontingenz! Denn warum sollte ich mich noch länger mit Typen und Ideen herumscheren, die in meinen Texten nichts zu suchen haben, wenn ich solche fragwürdigen Begegnungen durch knallharte Scripts und Frames, Mustererkennungsformeln und Persönlichkeitsraster von vornherein ausschließen kann? Mein nächster Roman wird ein zuverlässiges Produkt, versprochen.